Grundlegende Verfahrensrechte betreuter Personen – § 275 FAmFG

Die Verfahrensfähigkeit von Betroffenen besteht unabhängig von den kognitiven Fähigkeiten oder der Geschäftsfähigkeit. Neben dem Recht, Verfahrensrechte eigenständig wahrnehmen zu können, berechtigt § 275 FAmFG umgekehrt Betroffene auch dazu, auf einzelne Verfahrensrechte zu verzichten: So ist ein wirksamer Verzicht von Betroffenen auf Rechtsmittel im Betreuungsverfahren möglich, auch wenn dies unvernünftig erscheint oder dem Gedanken staatlicher Fürsorge ggf. widerspricht. Grund dafür ist, dass Rechtsmittel für den Betroffenen auch durch den Verfahrenspfleger eingelegt werden können und der Schutzbedürftigkeit der Betroffenen auf diese Weise ausreichend Rechnung getragen wird. Problematisch ist dieses Argument jedoch im Hinblick auf die Praxis. Nicht in jedem Fall, in dem ein Verfahrenspfleger eigentlich zu bestellen wäre, erfolgt die Bestellung tatsächlich. Verfahrensfehler in Betreuungsverfahren sind nicht selten, häufig stehen sie in Zusammenhang mit der Bestellung von Verfahrenspflegern. Weiteres Problem ist, dass Verfahrenspfleger pauschal abgegolten werden. Draus folgt, dass sich das Engagement von Verfahrenspflegern, sich energisch für die Rechte der Betroffenen einzusetzen, zwar immer vertretbar, aber oft doch sehr deutlich in Grenzen hält. Unserer Erfahrung nach geschieht es eher selten, dass ein Verfahrenspfleger ein Rechtsmittel einlegt, um Betroffene nachhaltig zu unterstützen. Das hat auch der Gesetzgeber erkannt, weshalb Gerichte nach der Betreuungsrechtsreform zum 01.01.2023 nun ausdrücklich dazu angehalten sind, auch Verfahrenspfleger auf ihre Geeignetheit zu überprüfen. Ausdrücklich soll damit dem Umstand entgegengetreten werden, dass Verfahrenspfleger Vorschläge und Anträge von Betreuern lediglich „abnicken“, um das Verfahren reibungslos zu halten und nicht Gefahr zu laufen, im nächsten Betreuungsverfahren nicht mehr bestellt zu werden. Darüber hinaus ist ein Verzicht von Betroffenen auf die Begutachtung durch einen medizinischen Sachverständigen als Voraussetzung für die Einrichtung einer Betreuung eingeschränkt möglich. Dies nur unter der Voraussetzung, dass der Betroffene die Betreuung selbst beantragt hat und die Erstellung eines Gutachtens mit Blick auf die in Frage kommenden Aufgabenbereiche unverhältnismäßig wäre. Auf die richterliche Anhörung und die Bestellung eines Verfahrenspflegers kann von Betroffenen nicht verzichtet werden. Das würde bedeuten, dass der Betroffene schon vorab auf die Gewährung rechtlichen Gehörs verzichten würde. Das ist nicht zulässig.
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