Aufhebung einer Betreuung und Gestattung der Ausübung der Vorsorgevollmacht in II. Instanz

Nachdem es zwischen Familienmitgliedern zum Streit um Wirksamkeit und Missbrauch einer zusätzlich erstellten Vorsorgevollmacht kam, wurde für die pflegebedürftige Betroffene eine Berufsbetreuerin bestellt. Nach einjähriger Mandatsführung ist es gelungen, die Betreuung aufzuheben und die Vertretung der Betroffenen zurück in die Hände der ursprünglich und wirksam bevollmächtigten Tochter zu geben. Das ist passiert: Über Jahre hinweg übte die Tochter der vermögenden Betroffenen die ihr wirksam erteilte Vorsorgevollmacht im Interesse und entsprechend den Wünschen der Betroffenen aus. Wichtigstes Anliegen der Betroffenen war es, trotz Pflegebedürftigkeit zu Hause zu bleiben und nicht in eine Pflegeeinrichtung zu ziehen. Die Familie organisierte ein umfassendes häusliches Hilfe-, Pflege- und Betreuungssystem, welches optimale Versorgung der Betroffenen zu Hause sicherstellte. Das Unheil begann, als sich ein Sohn der Betroffenen eine weitere vollumfassende (notarielle) Vorsorgevollmacht von seiner mittlerweile geschäftsunfähigen an Demenz erkrankten Mutter erteilen ließ. Die Ausübung dieser Vollmacht durch den Sohn ergab eine erhebliche Gefährdung des Vermögens der Betroffenen, weshalb die Familie sich dazu entschied, eine Betreuung anzuregen. Zunächst wurde eine Kontrollbetreuung eingerichtet, die sich sowohl auf die (unwirksame) Vorsorgevollmacht des Sohnes als auch auf die (wirksame) und ordnungsgemäß ausgeübte Vorsorgevollmacht der Tochter erstreckte. Beide Vorsorgevollmachten wurden suspendiert. Im Rahmen der gerichtlichen Ermittlungen wurde die Unwirksamkeit der Vorsorgevollmacht des Sohnes festgestellt. Das Unheil nahm seinen Lauf, als die Kontrollbetreuung im Anschluss aufgehoben und eine Hauptbetreuung unter Bestellung der Berufsbetreuerin angeordnet wurde. Die Tochter als Vorsorgebevollmächtigte ging (noch nicht anwaltlich vertreten) zu diesem Zeitpunkt versehentlich davon aus, die Ausübung der ihr wirksam erteilten Vorsorgevollmacht sei mit Anordnung der Betreuung endgültig nicht mehr möglich. Die Betroffene erkrankte und wurde hausärztlich ordnungsgemäß behandelt. Dennoch kam es zu einer Einlieferung in ein KKH. Das KKH wollte die Betroffene nach kurzer Behandlung nach Hause entlassen. Die Betreuerin entschied jedoch – ohne Besprechung mit der Betroffenen selbst – die unmittelbare Verbringung in eine Pflegeeinrichtung – gegen den Willen der Betroffenen. In der Einrichtung wurde sie mit ruhigstellenden Medikamenten behandelt um ihr die Eingewöhnungsphase zu erleichtern. Der gesundheitliche und emotionale Zustand der Betroffenen verschlechterte sich rapide. Die Betreuerin stellte sich auf den Standpunkt, der Wunsch der Betroffenen, in ihr privates Wohnumfeld zurückzukehren, sei nicht zu befolgen. Im Anschluss erfolgte ein aufwändiges gerichtliches Verfahren, mit dem die Aufhebung der Betreuung, Gestattung der Ausübung der Vorsorgevollmacht durch die Tochter, hilfsweise Betreuerwechsel, beantragt wurde. Die gerichtlichen Ermittlungen ergaben – gestützt auf mehrere Stellungnahmen des Verfahrenspflegers und der Betreuerin – unter anderem, eine Rückführung der Betroffenen in ein privates Umfeld widerspräche den Interessen der Betroffenen. Auch die Fortsetzung der Betreuung trotz wirksamer Vorsorgevollmacht zugunsten der Tochter hielt das Gericht für erforderlich, dies ohne dass der Tochter konkrete entscheidungserhebliche Vorwürfe im Hinblick auf die Ausübung der Vorsorgevollmacht zu machen waren. In zweiter Instanz hob das Landgericht die Entscheidung des Betreuungsgerichts und die Betreuung auf und gestattete der Tochter die Ausübung der Vorsorgevollmacht. Die Verfahrensdauer betrug ein Jahr – für die betagte Betroffene besonders wertvolle, leidvolle und verlorene Zeit. Fazit: Die Anordnung einer Kontroll- oder endgültigen Betreuung führt nicht automatisch zum Verlust einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht. Dies auch dann nicht, wenn die Vorsorgevollmacht im laufe dieses Verfahrens gerichtlich suspendiert wird. Eine Betreuung in derartigen Fällen wieder aufzuheben und dadurch dem Willen und dem Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Person wieder Geltung zu verschaffen, erfordert allerdings fundierte rechtliche Beratung. Um unnötiges Leid für die betroffene Person, eine eventuelle Vertiefung familiärer Konflikte sowie einen möglicherweise im Raum stehenden Widerruf der Vollmacht zu verhindern, ist es besonders wichtig, frühzeitig anwaltliche Beratung und Vertretung in Anspruch zu nehmen.
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