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Angehörige im Pflegeheim abgeschottet und isoliert – Inszenierte Gefährdungslage – was Angehörige unbedingt unternehmen sollten
„Wir haben ernsthafte Zweifel daran, in einem Rechtsstaat zu leben und wissen nicht mehr, wohin wir uns noch wenden sollen. Die Worte werden uns im Mund verdreht.“
So lauten einleitende Sätze unserer Mandanten, die sich in eigener Sache oder für Angehörige in Zusammenhang mit Betreuungsverfahren wutentbrannt an unsere Kanzlei wenden. So auch im folgenden Fall:
Eine 80jährige äußerst rüstige ältere Dame mit beginnender leichter Demenz wurde von der Vorsorgebevollmächtigten (Schwiegertochter) zwangsweise in einer Pflegeeinrichtung untergebracht. Die Vorsorgevollmacht bestand in einem der Formulare, die im Internet heruntergeladen oder frei im Handel erworben werden können.
Begründung für die Unterbringung: leichte beginnende Demenz, Hin- und Weglaufgefahr, diagnostiziert von einem Allgemeinmediziner durch ein zweizeiliges Attest.
Die Befugnis der Bevollmächtigten zur Einwilligung in die zwangsweise Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung und zur Einwilligung in freiheitsentziehende Maßnahmen wurden von der Betroffenen in dem Formular jeweils mit „nein“ angekreuzt.
(Regelmäßig warnen wir davor, diese Formulare zu verwenden, dieser Fall verdeutlicht die Gründe dafür.)
Die Befugnis der Bevollmächtigten, eine zwangsweise Unterbringung für die Betroffene in die Wege zu leiten, war damit (eigentlich) ausdrücklich ausgeschlossen. Aufgefallen ist das niemandem. Es ist der Bevollmächtigten also gelungen, mittels dieser „Vollmacht“mehrere aufeinander folgende betreuungsgerichtliche Unterbringungsbeschlüsse einschließlich d er Anordnung freiheitsentziehender Maßnahmen zu erwirken. Zusätzlich wurden Besuchs- und Kontaktverbote für einen Teil der Angehörigen angeordnet.
Ziel: Hilfestellung für die Betroffene zu verhindern.
Begründung: Die Betroffene sei nach Besuchen von Familienmitgliedern immer sehr aufgeregt, diese würden ihr jeweils Hoffnung machen, aus der geschlossenen Demenzabteilung wieder entlassen werden zu können, was aber nicht mehr geschehen wird. Das Pflegepersonal habe dann jeweils großen Aufwand mit ihr. Es bliebe ihr nichts anderes übrig, als sich dort einzugewöhnen. Besuch und Hoffnung wäre deshalb kontraproduktiv.
Der im Laufe des Verfahrens ca. 2 Monate später eingesetzte Berufsbetreuer ordnete ebenfalls Kontakt- und Besuchsverbote an, Telefonate eingeschlossen.
Begründung: s. o. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Angehörige die Betroffene „Schriftstücke unterschreiben ließen“, was einen erheblichen Mehraufwand für den Betreuer bedeuten könnte.
Die Pflegeleitung der Einrichtung befolgte die Anordnungen nicht nur kritiklos, sondern führte geradezu akribische Überwachung durch. Der Betreuer wurde jeweils umgehend telefonisch darüber informiert, welche (nicht vom Kontaktverbot betroffene) Angehörigen zu Besuch kamen. Die Betroffene war nahezu vollständig abgeschottet. Besuch von der ehemals Bevollmächtigten erhielt die Betroffene selbstverständlich nicht mehr.
Angehörige, die vor verschlossenen Türen der Pflegeeinrichtung standen wurden barsch abgewiesen. Die herbeigerufene Polizei half nicht weiter.
Trotzdem ist es den Angehörigen gelungen, der Betroffenen die Vertretung durch unsere Kanzlei zu vermitteln. Auch dies gestaltete sich zu Beginn aufwendig, da der Betreuer (zwar mangels Fachkenntnis, deshalb jedoch nicht weniger gesetzeswidrig) versuchte, die anwaltliche Vertretung zu verhindern. Er weitete unter Zuhilfenahme des Pflegepersonals das Kontaktverbot zunächst auch auf die Rechtsanwältin der Betroffenen aus.
Ein solches Vorgehen ist rechtswidrig und mit der Verfahrensfähigkeit jeder betreuten Person nicht vereinbar. Absolut unabhängig von der Frage der Geschäftsfähigkeit oder Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts für den Betreuer.
Auch gegenüber der schriftlichen Darstellung der Rechtslage zeigte der Betreuer sich ahnungslos und unbeeindruckt. Er berief sich darauf, er sei kein Jurist und könne mit Kontaktverboten eigentlich gar nicht umgehen. In diesem Punkt hatte er freilich recht. Die Einbindung des Betreuungsgerichts sorgte dann dafür, dass er sich entsprechende Fachkenntnisse aneignen und die Kommunikation zwischen der Betroffenen und ihrer Rechtsanwältin ungehindert stattfinden konnte.
Nachhaltig versuchte der Betreuer zusätzlich, den Wunsch der Betroffenen, ihre Tochter zur Betreuerin zu bestellen, zu negieren und zu torpedieren. Durch mehrere Stellungnahmen hatte er sich vehement auf der Grundlage eigener Vermutungen und fragwürdiger Mitteilungen von Dritten gegen die Übertragung der Betreuung auf die Tochter gestellt. Dies mit der Begründung, es lägen Interessenskonflikte vor und die Tochter sei zur Übernahme der Betreuung im Übrigen nicht geeignet. Objektivierbare Anhaltspunkte konnte er nicht benennen. Befürchtungen bestanden seitens des Betreuers jedoch ersichtlich bezüglich künftiger Erbaussichten der ehemals Bevollmächtigten, zu der er offenbar in Kontakt stand.
Im Zuge der Beschwerde gegen die 3. Verlängerung der Unterbringung (die Betroffene befand sich letztendlich fast 3 Monate in der geschlossenen Abteilung der Pflegeeinrichtung) wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Unterbringung nicht vorlagen, ebenso wenig die Voraussetzungen für die angeordnete freiheitsentziehende Maßnahme. Die Unterbringung wurde beendet. Obwohl der Betreuer im Vorfeld von mehreren Verfahrensbeteiligten – auch vom Verfahrenspfleger – auf die zweifelhaften Voraussetzungen der Unterbringung schriftlich und mündlich in Kenntnis gesetzt wurde, war er nicht auf die Beendigung der Unterbringung vorbereitet und hatte keine alternativen Maßnahmen geplant oder gar vorbeugend in die Wege geleitet.
Es war also erforderlich, unverzüglich für die Betroffene vorübergehend einen Platz in der offenen Station eines Pflegeheimes zu finden – bis eine Unterstützung für die Betroffenen zu Hause organisiert werden konnte.
Der Betreuer erkannte diesen Handlungsbedarf nicht. Über den beantragten Betreuerwechsel konnte im Rahmen der Beschwerde gegen die Unterbringung nicht entschieden werden. Der Betreuer war also immer noch bestellt und für die Betroffene verantwortlich. Mit der Beendigung der Unterbringung hat er jedoch offensichtlich nicht gerechnet. Mit einer ihm anvertrauten Betroffenen, die in kürzester Zeit nicht mehr freiheitsentziehend untergebracht sein wird, und die für ihn deshalb nun „Arbeit“ bedeutet, offenbar auch nicht. Direkt im Anschluss an die Anhörung im Beschwerdeverfahren erklärte er, er sei ab sofort nicht mehr Betreuer. In der Folge wurde schließlich innerhalb eines weiteren Tages die Tochter zur Betreuerin bestellt, die die Betroffene aus der Pflegeeinrichtung abgeholt und zurück nach Hause gebracht hat.
Im Ergebnis bleibt der Schrecken darüber, dass es der Betroffenen mit großer Wahrscheinlichkeit nie mehr gelungen wäre, nach Hause zurückzukehren, wenn sie nicht die Entschlossenheit ihrer Angehörigen an ihrer Seite gehabt hätte.