Allgemein
Gefahren einer unvollständig erteilten Vorsorgevollmacht
Der Umfang und damit die rechtliche Reichweite einer Vorsorgevollmacht wird vom Vollmachtgeber selbst bestimmt. Es besteht keine Verpflichtung, durch eine Vollmacht alle Lebensbereiche des Vollmachtgebers zu regeln.
Wenn Sie sich jedoch zu entscheiden, durch eine Vorsorgevollmacht inhaltlich nicht alle Lebensbereiche zu regeln, müssen Sie sich über die daraus entstehende maßgebliche Konsequenz im Klaren sein: Wenn bestimmte Lebensbereiche aus der Vollmacht ausgenommen oder einfach nicht erwähnt werden, bedeutet dies das Einfallstor die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung.
Die Betreuung besteht dann unter Umständen zwar neben der Vorsorgevollmacht, beides mit unterschiedlichem Regelungsinhalt. Das ist jedoch eine Konstellation, die (ebenso wie die vollständige Anordnung einer Betreuung) mit Erstellung einer Vorsorgevollmacht verhindert werden soll.
Aus dieser nur teilweise angeordneten Betreuung können sich darüber hinaus zusätzliche Gefahren für den weiteren Bestand, bzw. die Ausübung der Vorsorgevollmacht ergeben. Dies beispielsweise dann, wenn sich Entscheidungs- u. Handlungsbefugnisse von Bevollmächtigtem und Betreuer überschneiden, sofern es sich dabei um unterschiedliche Personen handelt und diese sich nicht einig sind. Eine weitere Gefahr besteht in dieser Konstellation in der Anordnung einer Kontrollbetreuung, d. h. die Überwachung der gesamten Tätigkeit des Vorsorgebevollmächtigten durch einen Betreuer. Am Ende einer Kontrollbetreuung steht überwiegend die Anordnung einer Betreuung für alle Aufgabenbereiche unter Suspendierung der Vorsorgevollmacht.
Einer der häufigsten Gründe, warum es überhaupt zu der Anordnung einer Betreuung in Kombination mit einer Vorsorgevollmacht kommt, ist die Verwendung von Muster- oder Formularvollmachten ohne rechtliche Beratung oder Hintergrundwissen. Allein durch Ankreuzen oder Nichtankreuzen der entsprechenden Regelungspunkte trifft der Vollmachtgeber eine Aussage darüber, ob er in diesem Punkt von dem Vollmachtnehmer vertreten werde möchte oder nicht. Wenn nicht (oder mit „nein“) angekreuzt wird, bedeutet dies, dass bezüglich dieser nicht geregelten Angelegenheit keine Vertretung durch den Vollmachtnehmer stattfindet und Raum für die Einrichtung einer Betreuung, möglicherweise durch Bestellung eines fremden Betreuers, besteht. Den wenigsten Menschen ist dies bewusst.
Der BGH (Beschluss v. 01.04.2015, AZ: XII ZB 29/15) hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein lückenhaft ausgefülltes Vorsorgevollmachtformular einem Ehepaar zum Verhängnis wurde, welches erst durch Beschreitung des Rechtswegs gestoppt werden konnte:
Der Ehemann hatte seiner Ehefrau mithilfe eines Musterformulars umfassend Vollmacht erteilt. Aber bei den Punkten „Verbindlichkeiten eingehen“ wurde weder „ja“ noch „nein“ angekreuzt und bei dem Punkt „Vertretung vor Gericht“ wurde „nein“ angekreuzt. Da der Mann geschäftsunfähig geworden war – eine wirksame Änderung der Vollmacht war damit nicht mehr möglich – führte dies in der Folge dazu, dass zunächst eine umfassende gerichtliche Betreuung – und zwar für alle Angelegenheiten, also auch die, die in der Vollmacht mit „ja“ angekreuzt waren – einzurichten.
Die Beteiligten legten Beschwerde ein. Das Beschwerdegericht beließ es bei der Anordnung der Betreuung und schränkte sie lediglich ein. Es blieb bei der Betreuung mit den Aufgabenbereichen „Eingehung von Verbindlichkeiten“ und „Vertretung gegenüber Gerichten und Prozesshandlungen aller Art“ galt, da diese in der Vollmacht nicht mit „ja“ angekreuzt waren. Auch hiergegen wendeten sich die Beteiligten mit der Beschwerde. Der ursprüngliche Wille des Vollmachtgebers bestand darin, seiner Ehefrau vollständige Regelungsbefugnisse aller Lebensbereiche durch die Vollmacht zu ermöglichen und die Einrichtung einer Betreuung zu verhindern. Es war dem Ehepaar nicht klar, dass durch das lückenhafte Ausfüllen des Formulars derartige Konsequenzen ausgelöst werden könnten.
Der BGH hob die Betreuung auf und stellte in seiner Argumentation grundsätzlich darauf ab, „dass eine Betreuung eben nur dann eingerichtet werden darf, wenn sie auch tatsächlich erforderlich ist. Der Grundsatz der Erforderlichkeit verlangt für die Bestellung eines Betreuers die konkrete tatrichterliche Feststellung, dass sie – auch unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit – notwendig ist, weil der Betroffene auf entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen.“ Es muss also ein konkreter Bedarf für die Bestellung eines Betreuers gegeben sein. Ob ein solcher Bedarf besteht, muss für jeden Aufgabenbereich einzeln geprüft werden und ist immer eine Einzelfallentscheidung.
Entsprechend dieser Grundsätze sah der BGH keinen konkreten Betreuungsbedarf des Betroffenen in seiner derzeitigen Lebenssituation. Bezüglich des Aufgabenkreises „Vertretung vor Gerichten“ bestand überhaupt keine Erforderlichkeit einer Betreuung, weil der Betroffene nicht an irgendwelchen Prozessen beteiligt war. Bezüglich des Aufgabenkreises „Eingehung von Verbindlichkeiten“ bestand ebenfalls überhaupt kein Anlass für die Einrichtung einer Betreuung, weil dieser Punkt sich auf Geschäfte von außergewöhnlicher Bedeutung (Kreditverpflichtungen, Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung u. ä.) beziehen würde, die aber bei dem Ehepaar ebenfalls nicht zu regeln waren. Die alltägliche Erfüllung von Verpflichtungsgeschäften war unproblematisch in der Vorsorgevollmacht innerhalb des Punktes „Vermögenssorge“ geregelt und berechtigte die Ehefrau nicht nur zur umfassenden Vermögensverwaltung sondern auch zu der daraus resultierenden Erledigung der alltäglichen Geldgeschäfte. Die Einrichtung der Betreuung war in diesem Fall also insgesamt nicht erforderlich und die Betreuung deshalb aufzuheben.
Ergebnis: Die Aufhebung (oder Einschränkung) einer gesetzlichen Betreuung ist nicht nur kostspielig im Hinblick auf Anwalts- u. Gerichtskosten und die für die Dauer der angeordneten Betreuung von dem Betroffenen zu bezahlende Betreuervergütung (sofern ein Berufsbetreuer bestellt wurde). Sie ist vor allem auch mit einer enormen persönlichen Belastung für alle Beteiligten verbunden.
Die hier dargestellte Problematik stellt nur einen kleinen Ausschnitt der Gefahren dar, die mit einer unsachgemäß erstellten Vorsorgevollmacht verbunden sind.
Eine frühzeitige rechtliche Beratung und rechtssichere Gestaltung der Vorsorgevollmacht verhindert die hier dargestellte Problematik.