Allgemein
Zehn Fehler und Irrtümer, die Sie vermeiden sollten, wenn der Begriff „Betreuungsverfahren“ in Ihrem Leben plötzlich eine Rolle spielt:
1.
Informieren Sie sich fachkundig über den Begriff der rechtlichen Betreuung und die damit verbundenen Auswirkungen. Eine gesetzliche Betreuung kann sich u. U. nicht nur auf die betroffene Person selbst, sondern auch gravierend auf die Angehörigen auswirken.
2.
Noch immer bestehen Missverständnisse bzgl. des Begriffs „gesetzliche Betreuung“. Betroffene und Angehörige gehen vielfach davon aus, es handele sich dabei um eine praktische, persönliche Unterstützung/Zuwendung durch eine(n) Betreuer(in). Tatsächlich handelt es sich dabei lediglich um rechtliche Vertretung (§ 1823 BGB) für rechtliche Angelegenheiten.
3.
Jedes Betreuungsverfahren bedeutet einen erheblichen Eingriff in Ihr Selbstbestimmungsrecht, dessen Intensität je nach Art und Anzahl der angeordneten Aufgabenbereiche unterschiedlich ist. Umfasst wird von einer gesetzlichen Betreuung nicht nur die Vermögenssorge, sondern insbesondere auch persönliche Angelegenheiten wie z. B. die Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung.
4.
Das freundliche erste Anschreiben des Betreuungsgerichts, wonach rechtliche Unterstützung durch ein Betreuungsverfahren in Aussicht gestellt wird und mit dem Sie darauf hingewiesen werden, dass Sie innerhalb der Betreuung selbst mitarbeiten und Entscheidungen treffen sollen, kann leicht den Eindruck erwecken, Sie hätten jederzeit die freie Wahl, eine Betreuung anzunehmen oder abzulehnen – das ist in den meisten Fällen jedoch nicht so.
Die gerichtlichen Ermittlungen zur Feststellung der Voraussetzungen einer rechtlichen Betreuung haben mit diesem Schreiben schon begonnen. Die Betreuungsbehörde wird sich ebenso mit Ihnen in Verbindung setzen wie mit größter Wahrscheinlichkeit auch ein Arzt, der Sie psychiatrisch/neurologisch begutachten wird. Auch ein Verfahrenspfleger wird vermutlich für Sie bestellt werden.
5.
Es ist ein Irrtum zu glauben, eine einmal mit Zustimmung der betreuten Person eingerichtete Betreuung könne anschließend durch Widerruf der Zustimmung unproblematisch wieder beendet werden. Die Aufhebung einer Betreuung ist in aller Regel zeit- und kostenaufwendig. Nach inzwischen Jahrzehnte langer Erfahrung unserer Kanzlei auf dem Gebiet des Betreuungsrechts ist uns kein Fall bekannt, in dem es gelungen wäre, eine Betreuung allein mit dem Argument, die betreute Person widerrufe ihre Zustimmung, aufzuheben. Die Zustimmung zur Einrichtung einer Betreuung darf also auf keinen Fall leichtfertig erteilt werden. Vielmehr sollte die Entscheidung erst nach anwaltlicher Beratung erfolgen, in der insbesondere Ihre persönlichen Lebensumstände berücksichtigt wurden, um die optimale Lösung zu finden.
6.
Anders als erste Schreiben des Betreuungsgerichts es für den Laien vielleicht vermuten lassen, ist die Einrichtung einer Betreuung auch gegen den Willen der betroffenen Person möglich. Dies dann, die Person nicht dazu in der Lage ist, einen freien Willen zu bilden und das Für und Wider eines Betreuungsverfahrens nicht mehr vernünftig abwägen kann.
Ob dies der Fall ist oder nicht, wird durch die Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens festgestellt. Dieser Begutachtung kann sich die betroffene Person nicht entziehen. Soweit die betroffene Person sich der Begutachtung entzieht, wird die zwangsweise Vorführung zur Erstellung des Gutachtens erfolgen.
7.
Eine Betreuung darf nur dann angeordnet werden, wenn sie „erforderlich“ ist. Was bedeutet das? Die „Erforderlichkeit“ umfasst weit mehr als die Frage, ob eine Krankheit oder Behinderung i. S. d. § 1814 BGB vorliegt oder nicht.
Sie ist vor Einrichtung einer Betreuung im konkreten Einzelfall für jeden Aufgabenbereich genau zu prüfen und bietet im Rahmen einer anwaltlichen Vertretung verschiedene Ansatzmöglichkeiten um ein Betreuungsverfahren ggf. abwenden oder zumindest steuern zu können. Die gesundheitliche Situation des Betroffenen spielt hier ebenso eine Rolle wie familiäre oder freundschaftliche Strukturen, persönliche Lebensumstände und die Fähigkeit des Betroffenen, Angelegenheiten trotz gesundheitlicher Einschränkung selbst erledigen zu können. Darüber hinaus sind die einzelnen Lebensbereiche auf Betreuungsbedürftigkeit und Betreuungsbedarf genau zu überprüfen. Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass diese Überprüfungen – nicht nur – aber vor allem – im Rahmen eilig anzuordnender Betreuungen wg. konkretem, vorübergehendem Handlungsbedarf nicht genau genug vorgenommen werden. Nicht selten werden Betreuungen für sämtliche Aufgabenbereiche angeordnet, die gemessen am Krankheitsbild und den Lebensumständen der betroffenen Personen unverhältnismäßig sind. Durch sofortiges Eingreifen kann ein langwieriges Gerichtsverfahren zur Aufhebung der Betreuung verhindert werden.
8.
Sofern eine gesetzliche Betreuung eingerichtet werden muss, kann die betroffene Person einen Betreuer(in) vorschlagen. An diesen Vorschlag ist das Betreuungsgericht gebunden. Von dem Wunsch, eine bestimmte Person zum Betreuer(in) zu bestellen, darf nur dann abgewichen werden, wenn die vorgeschlagene Person nicht zur Führung der Betreuung geeignet ist. Auch die Frage der „Geeignetheit“ birgt in der Praxis zahlreiche Probleme, die Betroffene und Angehörige oft nicht allein, wohl aber mit Hilfe anwaltlicher Vertretung lösen können. Frühzeitiges Reagieren ist auch hier vor allem deshalb wichtig, da es nach erfolgter Betreuerbestellung zu erheblichen Schwierigkeiten kommen kann, einen Betreuerwechsel durchzusetzen.
9.
Es ist ein Irrtum zu glauben, Angehörige von betroffenen Personen würden von Betreuungsgerichten aufwendig ermittelt und über die Einrichtung einer Betreuung für einen Angehörigen informiert. Wenn zwischen Betroffenen und Angehörigen aufgrund räumlicher Entfernung kein enger persönlicher Kontakt besteht, ist es durchaus möglich, dass Angehörige von der Einrichtung der Betreuung nichts, bzw. erst so spät erfahren, dass eine endgültige Betreuerbestellung durch einen fremden Betreuer bereits erfolgt ist. Auch in diesen Fällen kann es zu erheblichen Schwierigkeiten kommen, einen Betreuerwechsel zu erreichen.
10.
Betroffene, Angehörige und auch vereinzelte Betreuer sind oft der Meinung, betreute (ggf. zusätzlich geschäftsunfähige) Personen könnten sich nicht anwaltlich vertreten lassen. Auch dies ist ein Irrtum. Betreute Personen sind in ihrem Betreuungsverfahren verfahrensfähig. Das bedeutet, dass sie jederzeit dazu in der Lage sind, sich in ihrem Betreuungsverfahren anwaltlich vertreten zu lassen.