Betreuungsgerichtliches Sachverständigengutachten während zwangsweiser Unterbringung durch den behandelnden Arzt?

Immer wieder stellen wir fest, dass innerhalb einer freiheitsentziehenden Unterbringung betreuungsrechtliche medizinische Sachverständigengutachten durch behandelnde Ärzte erstellt werden. Diese Gutachten stellen in vielen Fällen die Grundlage für Erweiterung und/oder Verlängerung der gesetzlichen Betreuung dar. Die ist problematisch: Zum einen ergibt sich aus der Begutachtung durch behandelnde Ärzte grundsätzlich die Problematik der Objektivität. Teile der Gutachten stützen sich oft ausdrücklich auf „Erfahrungen der Ärzte mit den Betroffenen“ während der stationären Behandlung. Es ist zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, einen behandelnden Arzt zum Sachverständigen zu bestellen. In diesem Fall muss der behandelnde Arzt gegenüber dem Betroffenen aber deutlich kommunizieren, dass er ab dem Zeitpunkt seiner Bestellung zum Sachverständigen nun als Gutachter tätig sein wird. In dieser Funktion muss er den Betroffenen untersuchen und darf sich für das Gutachten nicht darauf beschränken, die aus der vorherigen Behandlung gewonnenen Erkenntnisse zu verwerten (BGH, Beschluss v. 16.09.202, AZ: XII ZB 203/20) Aus uns vorgelegten, von behandelnden Ärzten erstellten Gutachten geht vielfach nicht hervor, dass die Betroffenen darüber aufgeklärt werden, dass es sich nicht um das gewohnte, tägliche Gespräch mit dem Arzt handelt, sondern um einen konkrete Begutachtungssituation und für welchen Zweck die Begutachtung vorgenommen wird. In diesem Fall ist das Gutachten nicht verwertbar. Darüber hinaus findet in vielen Fällen keine gesonderte Untersuchung der Betroffenen statt. Aus dem Gutachten müssen sich jedoch die durchgeführten Untersuchungen, die dem Gutachten zugrundeliegenden Forschungsergebnisse, wissenschaftliche Fundierung, Logik und Schlüssigkeit entnehmen lassen. Nur dann darf das Gutachten als Basis für eine gerichtliche Entscheidung herangezogen werden.
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