Anordnung einer Betreuung für „alle Angelegenheiten“ in letzter Minute verhindert

Eine vollberufstätige, finanziell gut ausgestattete und selbstbestimmt mitten im Leben stehende Frau wurde aufgrund einer kurzzeitigen psychotischen Phase mittels öffentlich-rechtlicher Unterbringung in eine psychiatrische Klinik zwangseingewiesen. Dort wurde sie über mehrere Stunden hinweg mittels eines 7-Punkt-Gurtes fixiert. Nachdem die Fixierung durch die Ärzte beendet wurde, meldete sie sich telefonisch in unserer Kanzlei mit der Bitte um rechtliche Vertretung. Die Klinik beantragte die Genehmigung der Unterbringung für 4 Wochen und weiterer 7-Punkt-Fixierungen. Nach gerichtlicher Anhörung am folgenden Tag wurde die Unterbringung genehmigt, die beantragte Fixierung abgelehnt. Die geforderte Stellungnahme der Ärzte zum Gesundheitszustand ergab lediglich eine Verdachtsdiagnose. Ausdrücklich erklärt wurde, dass es sich auch um eine einzelne, sich in kurzer Zeit zurückbildende Symptomatik handeln kann. Trotzdem wurde durch einen überaus motivierten behandelnden Arzt über die Unterbringung hinaus per Formular die Einrichtung einer Betreuung angeregt. Nach Ansicht des Arztes sollte eine Betreuung für „alle Aufgabenkreise“ einschließlich Befugnis des Betreuers zur Aufenthaltsbestimmung, Entscheidung betreuungsrechtlicher Unterbringung und Entscheidung über weitere freiheitsentziehende Maßnahmen (z. B. Fixierungen) eingerichtet werden. Zusätzlich erklärte der behandelnde Arzt mittels Ankreuzens in dem vorgefertigten Formular, die Betroffene sei nicht geschäftsfähig. Die daraufhin innerhalb von 4 Tagen im Rahmen der einstweiligen Anordnung ergangene Entscheidung des Betreuungsgerichts ging noch darüber hinaus. Es wurde eine vorläufige (Berufs-)Betreuung angeordnet, die nicht nur die o. g. Aufgabenbereiche umfasste, sondern auch die Vermögenssorge, Gesundheitssorge, Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden usw. Persönlich angehört wurde die Betroffene durch den Richter am darauffolgenden Tag. Die Betroffene wandte sich entschieden gegen die Einrichtung einer Betreuung. Durch die Betreuungsbehörde wurde die Betroffene nicht angehört, trotzdem gab diese eine Stellungnahme ab und befürwortete die Einrichtung der Betreuung. Der gerichtliche Betreuungsbeschluss enthielt keine konkrete, individuelle Begründung sondern beschränkte sich auf die Wiederholung des Gesetzestextes. Nach umgehender Beschwerdeeinlegung half das Betreuungsgericht seiner eigenen Entscheidung ab, hob die Betreuung auf und stellte das Verfahren ein. Zu Recht, die Voraussetzungen für die Anordnung der Betreuung lagen nicht ansatzweise vor. Was wäre passiert, wenn die Betroffene nicht sofort anwaltlich vertreten gewesen wäre? Wäre es bei der angeordneten Betreuung in dieser Form für die Betroffene geblieben, hätte dies bedeutet, dass ihr das Recht auf Selbstbestimmung über sämtliche Lebensbereiche genommen worden wäre. Zur Klarstellung: Die Einrichtung einer Betreuung für „alle Angelegenheiten“ ist nicht zulässig. Die Voraussetzungen für jeden einzelnen Aufgabenbereich sind vor Anordnung gerichtlich im Einzelnen festzustellen. Dies insbesondere unter Beachtung von allen, dem Betroffenen im Einzelfall zur Verfügung stehenden „anderen Hilfen“.
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