Zwangsweise Unterbringung gehört zur staatlichen Fürsorge

BGH, Beschluss vom 22.6.2022 – XII ZB 376/21, aus den Gründen: Die zivilrechtliche Unterbringung ist wie das Betreuungsrecht insgesamt ein Institut des Erwachsenenschutzes als Ausdruck der staatlichen Wohlfahrtspflege, deren Anlass und Grundlage das öffentliche Interesse an der Fürsorge für den schutzbedürftigen Einzelnen ist. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besteht daher auch ein Recht des Betroffenen auf die staatliche Maßnahme, hier die zwangsweise Unterbringung. Die §§ 1896 ff. BGB haben nicht nur einen in die Grundrechte eingreifenden Gehalt, sondern dienen insbesondere der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts und der Menschenwürde des Betroffenen, der wegen seiner Krankheit oder Behinderung nicht eigenverantwortlich entscheiden kann, sowie dem Schutz seines Lebens und seiner Gesundheit (Senatsbeschluss vom 2.2.2022 – XII ZB 530/21). Dementsprechend stellen sich zivilrechtliche Unterbringung und ärztliche Zwangsmaßnahmen nicht nur als Grundrechtseingriffe, sondern vor allem auch als den Betroffenen begünstigende Maßnahmen der staatlichen Fürsorge dar. Das bedeutet, der Betroffene selbst hat Anspruch auf Schutz und Behandlung, der auch umzusetzen ist, wenn der Betroffene krankheitsbedingt keinen freien Willen bilden kann und sich ohne medizinische Behandlung erheblich schädigen würde. Dass dies nur mit schwerwiegenden Eingriffen in die Grundrechte des Betroffenen möglich ist (zwangsweise Unterbringung), ändert nichts daran, dass diese Grundrechtseingriffe begünstigenden Charakter haben. Im Regelfall ist die Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB dementsprechend dadurch gekennzeichnet, dass den Betroffenen die notwendige Krankheitseinsicht fehlt und mithin allein die Unterbringung, erforderlichenfalls ergänzt durch medizinische Zwangsmaßnahmen, die Voraussetzungen dafür schaffen kann, dass die Krankheit des Betroffenen behandelt werden kann (Senatsbeschluss vom 2.2.2022 – XII ZB 530/21).
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