Verlust der Vorsorgevollmacht wegen Verbitterung und Groll des Bevollmächtigten

Eine Betreuung kann trotz wirksamer Vorsorgevollmacht erforderlich sein, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen. Insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet. Dies ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte mangels Befähigung oder wegen erheblicher Bedenken an seiner Redlichkeit als ungeeignet erscheint. Über Art und Umfang im Hinblick auf die Eignung des Vorsorgebevollmächtigten durchzuführenden Ermittlungen entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Geprüft werden müssen alle maßgeblichen Gesichtspunkte, die gerichtliche Würdigung muss auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruhen. Die Ungeeignetheit eines Bevollmächtigten, die Angelegenheiten des Betroffenen zu dessen Wohl zu besorgen kann sich aus der Befürchtung ergeben, dass der Bevollmächtige sich bei seinen Entscheidungen durch seinen gegenüber dem Betroffenen bestehenden Groll leiten lässt. BGH, Beschluss vom 15.6.2022 – XII ZB 85/22 Diese Entscheidung besitzt mehr Praxisrelevanz als auf den ersten Blick zu erwarten ist. Die Erfahrung zeigt, dass auf Seiten von Bevollmächtigten oft tiefgreifende familiäre Zerwürfnisse vorliegen, die die Fähigkeit oder Bereitschaft des Bevollmächtigten, die Vollmacht im Sinne des Vollmachtgebers auszuüben, erheblich einschränken. In Abweichung zu dem hier zitierten Fall kann die Verbitterung und Enttäuschung der Bevollmächtigten auch auf die Beziehung der Bevollmächtigten zu anderen Angehörigen zurückzuführen sein, die durch die mit der Vollmacht erteilten Befugnisse durch den Bevollmächtigten „bestraft“ werden sollen. Hilflose Vollmachtgeber werden in diesen Fällen als willenlose u. U. leicht zu steuernde Werkzeuge benutzt. Insbesondere durch den Bevollmächtigten (rechtswidrig) angeordnete Besuchs- und Kontaktverbote sind weit verbreitete Mittel, um andere Angehörige für teilweise jahrzehntelange familiäre Konfliktsituationen zu sanktionieren. Die Rechte des Vollmachtgebers treten dabei völlig in den Hintergrund.
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